Digital meeting culture and the breakdown of national silos

This article was originally published in the German publication Trend Report in December 2021 as part of the International Communications series.

Warum Begegnungskultur eine digitale Neudefinition braucht.

Die Pandemie hat ganze Arbeit geleistet: Die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen, hat sich in den vergangenen zwei Jahren grundlegend geändert. Das virtuelle Treffen, der Blick auf den Bildschirm hat den Händedruck, die persönliche Präsentation, den Kaffeeklatsch mit den Kollegen, das Brainstorming und für viele sogar die Weihnachtsfeier ersetzt. Was hat das mit uns gemacht? Vor der Jahreswende ist die beste Zeit eine Analyse vorzunehmen, was es in der neuen Realität der Kommunikation und des Businesses zu beachten gilt. Denn noch vor gar nicht allzu langer Zeit war die persönliche, physische Begegnung zentral, um in Kontakt zu kommen, die Chemie zu testen und eine Beziehung aufzubauen.

Die physische Umgebung, also das echte, anfassbare Leben ein fester unumgänglicher Bestandteil unseres professionellen und privaten Lebens. Für das Unternehmen galt der Standort als wichtigster Begegnungspunkt und das Headquarter als das Zentrum des unternehmerischen Universums.

„Sich an einen Tisch setzen” hat während der vergangenen Monate zugleich an Bedeutung verloren und gewonnen. Einerseits ist der Tisch, an dem sich zwei Professionals begegnen nicht mehr derselbe, weil Menschen nicht mehr, oder nur mit umfassender, sorgfältiger Planung und Vorkehrmaßnahmen, am gleichen Ort zusammenkommen können.

Andererseits hat die persönliche Begegnung, wenn sie dann doch stattfindet, ein ganz neues Gewicht bekommen. Die Zeit wird bewusster genutzt, jeder ist sich klar, welchen Aufwand ein persönliches Meeting nach sich zieht, etwa einem PCR-Test oder lange Bahnfahrten und Flüge mit FFP2-Maske. Das physische Treffen wandelt sich von einer Selbstverständlichkeit zum Luxus-Highlight.

Infolgedessen ist unser digitales Ökosystem zu dem Ort geworden, an dem die Zusammenarbeit mit anderen stattfindet. Damit gewinnt nicht nur Digitalisierung an Stellenwert, sondern auch die Führungs- und Unternehmenskultur. Laut ersten Studien steht dieser „Kultur”-Wandel auf Platz 2 der wichtigsten Unternehmenstrends für 2022.

Das beobachte ich zunehmend auch bei meinen eigenen E-Meeting-Erlebnissen. Die bisweilen feinen Unterschiede zwischen den Meetingkulturen der Unternehmen treten deutlich zutage. Das ist nicht allein bei der Plattform-Frage Microsoft versus Google zu erkennen, sondern vor allem bei den Meeting-Etiketten. Wie stringent wird die Hand-Heben-Funktion genutzt und beachtet? Wird der Hintergrund weichgezeichnet oder mit Firmen-Logo geschmückt? Wird der Chat aktiv genutzt für Anregungen? Wird die Zeit für einen Diskurs genutzt? Und arbeiten alle direkt in Miro, Mural oder in Dokumente gemeinsam rein?

Plattformen für Kollaboration richtig zu nutzen und eine Meetingkultur digital zu übertragen und auch weiterzuentwickeln war eine wichtige Aufgabe in der Pandemie. In vielen Unternehmen sind die Ergebnisse der monatelangen Neufindung erst jetzt richtig zu betrachten – schließlich hat das „Muten-Entmuten” ja auch einiges an Umdenken von uns abverlangt. Während sich indes die Zusammenarbeit innerhalb des eigenen Unternehmens als schwieriger erwiesen hat als gedacht, vereinfachte sich dagegen die Zusammenarbeit über globale Regionen, Kulturen und Zeitzonen hinweg schneller. Plattformen haben die Geschäftsreise als Verbindungsinstrument ersetzt und sind zum „Collaboration-Highway” avanciert. Heute kommt der Standort eines Meeting-Teilnehmers hauptsächlich bei der Zeitzonen-Frage ins Spiel – und vielleicht beim Wetter-Smalltalk oder ob die Verbindung schon über Glasfaser oder 5G läuft.

Insbesondere für Kommunikatoren bringt dies eine positive Wende mit sich: Der internationale Austausch nimmt zu, weil geografische und technische Hürden abgebaut werden. Zudem haben wir unsere Scheu vor Video-Calls abgelegt. Allerdings gewinnen nun Insights zu Markt, Zielgruppe und Kultur an enormer Bedeutung, weil sie in greifbare Nähe kommen. Der pandemische Kollaborationsschub und die fortgeschrittene globale Digitalisierung hat den Standort-Vorteil zum Standort-Faktor gewandelt, durch den Kultur und Zielgruppen-Besonderheiten neuen Stellenwert erhalten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass lokale Standorte und Partner, die ehemals nicht in der direkten Sphäre des Headquarters standen, nun mehr Gestaltungsspielraum und im wahrsten Sinne des Wortes Mitspracherecht erwerben können. Das ist nicht nur in der internen Kommunikation relevant, auch die Marke profitiert dadurch.

Die neue digitale Begegnungskultur ist zwar für uns Individuen herausfordernd und für Unternehmen ein weiterer Schub in eine facettenreiche Digitalisierung. Für uns als Kollektiv ist sie aber ein großer, notwendiger Schritt hin zu einer global-denkenden und -agierenden Gemeinschaft.

Auch unsere beruflichen Hierarchie Symbole wandeln sich. Wo noch vor zwei Jahren der feine Anzug die Führungskraft ausgezeichnet hat, sind jetzt die Apple AirPods oder das gut beleuchtete Gesicht dank Profi-Ringlicht ausschlaggebend für den ersten Eindruck. Die Gesichtsmimik ersetzt den so viel verratenden Händedruck. Was durchaus dazu führen kann, dass wir mehr damit beschäftigt sind, unseren Gesichtsausdruck in der Seitenleiste zu betrachten als unserem Gegenüber die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Ein gewisser Disconnect ist da programmiert. Wie gewährleisten wir in dieser neuen digitalen Begegnungswelt, dass die so hoch-akkreditierte Chemie stimmt? Die Antwort ist zugleich simpel und schwierig: Wir müssen mehr Wir und weniger Ich agieren.

Die neue digitale Begegnungskultur ist zwar für uns Individuen herausfordernd und für Unternehmen ein weiterer Schub in eine facettenreiche Digitalisierung. Für uns als Kollektiv ist sie aber ein großer, notwendiger Schritt hin zu einer global-denkenden und -agierenden Gemeinschaft. Wir haben die vergangenen Jahre Silos zwischen Abteilungen abgebaut. Nun ist es nur logisch, dass wir diese vor allem nationalen Silos auch abbauen. Denn das Web 2.0 hat es schon längst für uns getan. Höchste Zeit, dass unsere Unternehmenskulturen und Arbeitsweisen mitziehen und den Weg für ein Web 3.0 frei machen, indem Kollaboration und Dezentralisierung an Bedeutung gewinnen.

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